Innerhalb von 50 Tagen kann viel passieren oder auch nicht. Wir hatten beides.

Alles eine Frage der Aussprache
Wir blieben einige Tage im Brown Kiwi in Auckland und haben mal so gar nix gemacht. Erstmal ankommen sacht Mutti immer. Unsere Highlights waren die Beantragung der Steuernummer, des Bankkontos und der Autokauf. Theoretisch lassen sich die Dinge in 3 Tagen erledigen, aber Mutti sacht auch immer: der frühe Vogel kann mich mal. Jeder Tag begann mit einer warmen Dusche und einer motivierten to-do Liste. Jedoch befand sich im Garten des Hostels ein kleines Bermudadreieck mit Kleber auf den Sitzen, auch genannt Gartenbank mit Sonnenseite. Teilweise haben wir uns nicht vom Fleck bewegt und ich ging mit meiner to-do Liste wieder ins Bett.

Eines Abends unterhielten wir uns mit zwei schnuckeligen Franzosen – *hach, dieser Akzent* – über Gott und die Welt. Alex erzählte von seinem größten Vorbild, einem sehr erfolgreichen französischen Raper. Mein erster Gedanke: Vorlieben hin oder her und ja, auch wenn es erotisch aus deinem Mund klingt, aber ein französischer Vergewaltiger geht eindeutig zu weit. Es stellte sich heraus, dass er einen Rapper meinte. Tja, Akzent ist manchmal eben auch ’ne Bitch.

Oskar

Der Autokauf verlief zügig. Mit Emil im Schlepptau (unserem bärtigen Hut-Kumpel aus Dänemark) ging es am Ostersonntag auf den Automarkt. Ich dachte mir, es kann nicht Schaden einen Mann mit Hut dabei zu haben. Schon von weitem habe ich mich sofort in einen weißen Van verliebt und rannte wie von einer Tarantel gestochen auf ihn zu. Nach einem kurzen Blick in den Innenraum meinte ich zu den deutschen Jungs, dass ich den Van haben will. Louise stimmte begeistert zu, doch „the real Oskar“ (Verkäufer und gleichzeitig Namensgeber) schlug vor, dass ich doch erstmal Probe fahren sollte. Mooooahr, immer diese Deutschen.

Die Jungs brachten uns zwei Tage später den Van ins Hostel. Als ich meinen Daheimgebliebenen mit geschwollener Brust von meinem ersten Autokauf erzählte, wurde ich gefragt, welche Marke und wie viel Kilometer Oskar hätte. Meine Antwort: „Der Van ist weiß und hat vier Räder“.

Aufbruchsstimmung
Nach unserem einwöchigen Aufenthalt machten Louise, Oskar et moi uns auf in den Norden – an das Ende der Welt. Unsere Route führte uns entlang der Ostküste Neuseelands und ich begann das Camperleben zu lieben. Bei Regen liebte ich das Camperleben weniger und diesbezüglich darf ich meine Meinung ändern so oft ich will, ich bin schließlich eine Prinzessin.

Teilweise verbrachten wir die Nächte auf den kuriosesten Campingplätzen, die einen eher an das Texas Chainsaw Massacre als an einen romantischen Zeltplatz erinnern. Vereinzelt finden sich kleine verrostete Wohnanhänger mit quietschenden Hängelampen und der Eindruck von Tot und Verderben verbessert sich nachts nicht wirklich. Da kann der Axtmörder doch nicht weit sein? Eines Nachts (wenn ich ehrlich bin nicht nur einmal, sondern bei sich jeder bietenden Gelegenheit) überfiel uns eine solche Paranoia, dass wir uns im Van versteckten, die Türen verrammelten und vor Angst nicht schlafen konnten. Jeder Busch hatte Augen sowie eine eigene Persönlichkeit und jeden Moment erwartete ich eine tote Katze an meiner Fensterscheibe. Glücklicherweise kommt so ein Axtmörder ja auch nicht in den Van, wenn er merkt, dass die Türen verschlossen sind. Am nächsten Morgen wurden wir von süßem Vogelgezwitscher, einem Hoppelhäschen, Mietzekatzen (lebend), Meeresrauschen und einem wunderschönen Sonnenaufgang geweckt. Nachdem ich meine Autoschlüssel von außen steckend an der Fahrertür gefunden habe, waren auch die Büsche glücklich.

Bunjeejumping, Rafting und Skydiving
Mit dieser Zwischenüberschrift will ich euch eigentlich nur verwirren. Nüscht davon haben wir gemacht. Dafür habe ich ganz viele Muscheln und Steine gesammelt – wer braucht Skydiving, wenn er Muscheln sammeln kann?
Wir verbrachten ca. zwei Wochen im Utea Park bei den Maoris Paul und Tanja am 90 Mile Beach (welcher eigentlich 90 Kilometer Beach heißen sollte, aber da waren wohl wieder die Briten am Werk). Wir hatten weder Strom noch Internet und verloren in der kleinen Geistergegend komplett das Zeitgefühl. Wir wachten bei Sonnenaufgang auf und gingen teilweise mit den neuseeländischen Hühnern schlafen. Jeder einzelne Tag verging nicht ohne herzliches Lachen und ich glaube ich war verrückter als zu Hause (ja, es gibt eine Steigerungsform).

Cruise

Wir machten lange Spaziergänge durch Flora, Fauna und Sand unter anderem mit unserem Kumpel Cruise (Cruise ist der knuffeligste, sabberndste Hund mit dem größten Kopf der Welt), sammelten Muscheln, Holz und Steine, stolperten regelmäßig über tote Tiere, verbrachten tolle Nächte mit tollen Menschen am Lagerfeuer inklusive Bier, Gitarre und Gesang, spielten Tennis, Fußball (hier spielte der Ball eher mit mir) und Volleyball, sausten mit den Buggyboards über die Sandünen, lernten majoranische Bräuche, veranstalteten Kochabende mit eigens gesammeltem Shellfish, malten ein Schild für unseren Van oder suchten am Strand Walkacke – letzteres leider ohne Erfolg. Auch warf ich mich mit dem Surfboard in die Wellen. Ich sah gut aus, als ich mit dem Board ins Wasser gelaufen bin und wieder herauskam. Im Wasser hab ich immer so getan, als hätte ich keine Lust.

Teilweise verbrachten wir die Nächte allein im Utea Park und so ohne Strom isses schon dunkel. So manch‘ verhexte Vorkommnisse ließen uns nicht schlafen. Eines Nachts saßen Lou und ich auf unserer Bank und bewunderten diesen wunderbaren Sternenhimmel. Ich eilte zum Van, weil ich etwas vergessen hatte und … siehe da … da hat sich der Schlingel einfach verschlossen. Interessanterweise lagen die Schlüssel IM Van. Glücklicherweise konnten wir die Tür öffnen, leuchteten jedoch jeden Winkel des Vans aus – auf der Suche nach Monstern oder Axtmördern.

Eine andere Nacht wurde ich vom Fahrerlicht im Van geweckt. Louise schlummerte neben mir gemütlich und tief und nachdem ich beschlossen hatte, dass sie nicht mehr schlafen kann, beteuerte sie, dass sie das Licht nicht angemacht hat. Hätte ich an ihrer Stelle auch gesagt. Ich wollte das Fenster öffnen, um meiner Schnappatmung Sauerstoff zu geben. Kurioserweise war das Fenster bereits geöffnet und NEIN, wir waren es nicht. Ich versteckte mich unter der Bettdecke und wartete auf die tote Katze am Fenster.

Wir beschlossen, bevor der Axtmörder zu uns kommt, werden wir zum Axtmörder und schliefen mit selbiger im Van (als ob wir die im Notfall hochheben und Geister zerhacken könnten, geschweige denn bei dem Chaos finden würden).

Am nächsten Tag wünschte ich mir vom Universum Gäste. Hier habe ich gelernt, dass man immer aufpassen muss, was man sich vom Universum wünscht. Eine 20-köpfige, neuseeländische Familie machte sich die nächsten drei Tage auf dem Campingplatz breit – mit fünf Kindern, welche unglaubliche Freude am Trampolinspringen hatten. Das Trampolin stand direkt neben unserem Van. Louise war etwas böse auf mich.

Schweren Herzens verabschiedeten wir uns vom Utea Park, doch es wurde Zeit. Weiter ging es Richtung Süden. Wir umrundeten den rechten Nordzipfel, fuhren die schönsten Serpentinenstraßen der Welt entlang, wanderten in den tiefen Wäldern, taumelten über Schwingbrücken (ok, ich taumelte und Louise hat mich geärgert), kajakten über den Taupo See, aßen in einem bayrischen Restaurant Pizza, badeten in heißen, natürlichen Thermalquellen nahe der Huka Falls sowie in den Gewässern des Kerosene Creek und bewunderten die Schönheit der Natur in 1800 Höhenmetern bei dem Tongariro Alpine Crossing. Ja, ihr könnt neidisch sein – es war atemberaubend.

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Crash Boom Bang
Von Tongariro ging’s weiter nach New Plymouth. Grey, ein lieber Neuseeländer meinte, wir fahren bis zum Ziel nur 3 Stunden. Jetzt wissen wir, dass wir die Zeit immer mal 2 rechnen müssen. Nach 7 stunden erreichten wir die Stadt, hatten beide die Nase(n) gestrichen voll und waren hundemüde. Ich bog rechts in eine Straße, übersah den Gegenverkehr, weil ja falsche Seite und so und dann CRASH!!! Nach einem enormen Knall in die linke Seite sah ich eine Mauer immer näher kommen und dachte: „das ist ungut“, trat unter Schock auf die Bremse und kam 10 cm vor der Mauer zum stehen. Zum Glück blieben alle unverletzt. Die Polizei war sofort an Ort und Stelle und schien enttäuscht, dass es sich um einen normalen Crash handelte. Ich heulte so vor mich hin und als Quintin, der Fahrer des anderen Autos mit Totalschaden, auf mich zu kam, machte ich mich auf ein Gewitter gefasst. Überraschenderweise nahm er mich in den Arm, drückte mich fest und herzlich, tröstete mich, gab mir eine Zigarette und sagte: „Alles gut, ist doch nur Blech“. Anschließend lud er uns zu sich nach Hause ein.

Das Polizeiprotokoll wurde zügig erstellt. Ich stand nur etwas unter Schock und verstand nicht recht was die Männer in schwarz-blau von mir wollten. Ein Polizist hielt mir ein Gerät unter die Nase und ich pustete genüsslich rein, da ich meinte es handle sich um eine Alkoholkontrolle. Lachend klopfte mir der Herr Polizist auf die Schulter und meinte, ich solle nicht hineinbeißen, sondern meinen Namen sagen. Ein anderer Polizist rief mir von weitem etwas zu und streckte mir liebevoll die Hände entgegen. Glücklich legte ich meine kalten Hände in seine warmen und war über diese Herzlichkeit so überrascht, dass ich umso enttäuschter war, als dieser nur die Autoschlüssel haben wollte.

Quintin nahm uns mit in sein Haus, machte uns Tee, Abendbrot, verteilte Whiskey und schlug uns vor bei sich und seinen Housemates solang zu bleiben, wie wir möchten. Am selben Abend gingen wir alle in eine Bar, spielten Pool und er gab uns Bier und Schnaps aus. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal festhalten, dass ich sein Auto geschrottet habe. Glücklicherweise konnte Quintins Cousin den Schaden an Oskar soweit beheben, dass wir weiterfahren konnten. Die eine oder andere lustige Geschichte ereilte uns in New Plymouth – doch Lou und ich sind uns einig: What happend in New Plymouth, stays in New Plymouth.

You sound funny
Auf dem Weg nach Wellington schliefen wir zwei Tage auf einem Campingground nähe des Taranaki. Als ich morgens für Lou und mich meine ersten porched Eggs zubereitet habe, hatte ich Gesellschaft von einem dicken, bärtigen Neuseeländer, der mir Früchte zum Frühstück schenkte sowie Grapefruits und Bratwürste (klasse Kombi) anbot. Einfach so.

IMG_4796Neben den üblichen Tieren (Hund, Katze, Muschel) spielte ich diesmal mit dem kleinen 5-jährigen Aston Golf und Fussball. Sein Bruder heißt übrigens Bentley. Das ist kein Spaß. Blöde Namen gibt es also auch hier. Der Kleine war richtig süß und wich mir einen Tag lang nicht von der Seite. Als ich die ersten Worte mit ihm wechselte, sah er mich verwundert an und meinte nur: You sound funny, but I like you. Wir malten gemeinsam, kitzelten uns durch, er stellte mir tausend Fragen, wir ärgerten die Katze, fanden Zaubersteine oder warfen uns in den Sand.

Am Abend unterhielt ich mich nochmals mit dem dicken, bärtigen Neuseeländer. Will heißen, er redete und ich hörte zu. Er erzählte mir, von guten und von schlechten Menschen, seiner Kindheit, seinen Eltern, seiner Familie, Teufeln, Engeln und Angeln. Er meinte ich soll meine Zeit hier genießen, denn ehe ich mich versehe, hab ich Kinder und mein Leben sei vorbei. Er hat 5 Töchter im Alter von 2 bis 24 Jahren. Ohne urteilen zu wollen entwickelte ich Verständnis für seine Denkweise. Auf meine Frage hin, wo ich Tabak kaufen könne, antwortete er empört wie ungesund Rauchen sei. Ich könne jedoch etwas von seinem Gras haben. Alles klar! Die rauchen das Zeug übrigens pur…

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Panik auf dem Taranaki
Mein größter Wunsch wurde wahr und wir bereiteten uns auf eine Wanderung auf den Taranaki vor. Die Nacht vor der Wanderung schliefen wir kostenlos auf dem Parkplatz unterhalb des Taranakis und erlebten eine der kältesten Nächte seit wir hier sind. Als wir aufwachten waren die Innenscheiben gefroren und die Nasenspitzen eiskalt. Dafür gibt es nichts schöneres, als den Berg bei Sonnenaufgang und Kaffee zu genießen. Ziel war der Syme auf 1900 Höhenmetern. Die letzten 200 Meter bis zum Gipfel bestanden nur aus losen Steinen und Geröll und die Füße fanden einfach keinen halt. Doch langsam ging’s aufwärts und der Gipfel winkte uns zu. Als ich mich umdrehte und Louise etwas zurufen wollte, war sie auf einmal nicht mehr da. Ich schaute umher und fand sie etwas abseits am Hang klebend. Es ist mir ein Rätsel wie sie das geschafft hat, doch ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich bei dem Anblick schmunzeln musste. Wie Spiderman klebte sie auf dem Geröll, alle Viere von sich gestreckt. Ich eilte zu ihr und versuchte sie zu beruhigen, sie solle einfach los lassen, es passiert schon nix, sie rutscht maximal ein wenig nach unten. Aber sag mal nem Schiffbrüchigen, er muss nur schwimmen. Die Arme hingen einfach fest, sie hatte Panik und kam weder vor und zurück – irgendwie habe ich es mit gut Zureden und Humor geschafft und sie konnte sich aus ihrer misslichen Lage befreien. Zum Glück. Selbstverständlich drehten wir nach einigen Minuten Pause um und Lou wollte, dass ich vorgehe. Ich surfte jubelnd wie ein kleines Kind das Geröll herunter, machte mir noch so über den Abgrund Gedanken, aber es ist alles gut gegangen. Danke, meine Rike, für diesen fantastischen Tipp. Über beide Ohren grinsend wanderten wir zurück und auch wenn nicht ganz geschafft, ist es ein unglaublich tolles Gefühl auf einem Berg zu sein.

Der Zuckerkoller und eigentlich will ich nix von dir wissen, frage aber trotzdem
Die Neuseeländer sind sehr hilfsbereit, lieb und nett. Das steht außer Frage. Eines Abends wurden wir zum Essen eingeladen und herzlich aufgenommen. Alles aber auch alles am Essen war gezuckert, selbst die Chickenwings. Immer rein mit dem Zeug, ich glaube Zucker ist das neuseeländische Maggi. Selbst der süße Schokoladenkuchen wurde mit Caramelsoße und ’ner überdimensionalen Portion Eis serviert. Neugierig wie die Neuseeländer sind wurden wir mit Fragen bombardiert und alle wollten so ziemlich alles von uns wissen. Leider hält diese Neugier nur zwei Minuten und sobald wir erzählten, was unsere Eltern arbeiten, richtete sich deren Interesse wieder auf das im Fernsehen laufende Rugbyspiel. Da unsere Antworten keine Rolle zu spielen scheinen, beschlossen wir beim nächsten Mal zu antworten: wir sind die Töchter von erfolgreichen Axtmördern.

Fortsetzung folgt.

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3 Kommentare

  1. Super Isa, Du schreibst soooooo ……. lustig, beschert mir immer einen Hauch guter Laune. Ich wünsche Euch noch viele Abenteuer. Wir fahren morgen nach Norwegen mit dem Wohnmobil, aber leider nur 16 Tage.
    Bussi T. Birgit

  2. hei murkxi, geht’s dir gut? warst hoffentlich schneller als der axtmörder(er)! schreibste mal weiter oder biste schon zu heeme? martin hinter marios tresen

    1. Haha… 🙂 kümmmere mich jetzt erst wieder um meinen Blog, deswegen lese ich deinen Eintrag erst jetzt. Ja, bin seit 5 Monaten wieder da, habe dem Mario auch ein bis zwei Besuche abgestattet. Aktuell kann ich nur keinen Bierkasten mehr tragen, ich bin leicht behindert: habe mir beim Skifahren das Kreuzband gerissen. Da gehste in die Knie, ich sachs dir…

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